Rückblick VIA MUNDI Tagung 2009

„Glücklich sein - Was macht wirklich glücklich?" (Hesselberg)

Glücklich sein – Was macht wirklich glücklich?


Rückblick auf die Via Mundi-Tagung 2009 in der Evang.-Luth. Volkshochschule auf dem Hesselberg

Der Hesselberg, mit seinem Blick über das Nördlinger Ries, zusammen mit dem angenehmen Wetter, waren eine passende Kulisse für unsere Glückstagung. Zudem bot die aktuelle Wirtschaftskrise einen Kontext, in dem die Frage „Was macht wirklich glücklich?“ nicht nur eine persönlich existentielle, sondern auch eine soziale und politische Relevanz erhielt. Unsere Tagung lag wieder einmal ganz im Trend, wie auch gleich im ersten Vortrag spürbar wurde. Der Referent Professor Karlheinz Ruckriegel kam sozusagen frisch und glücksgetränkt von einer großen Glücksforschungstagung, die kurz davor in Heidelberg stattgefunden hatte.


Glücksforschung – eine stille Revolution verändert unsere Welt

Prof. Karlheinz Ruckriegel
(Professor für Volkswirtschaft in Nürnberg,
Glücksforscher)
(CD VC-237)

In der Philosophie (Aristoteles), der Theologie (Thomas v. Aquin) und auch in der Ökonomie (A. Smith) wurde stets das Glücklichsein als höchstes Ziel angesehen.
Die statistisch erhebbare Wirklichkeit in unseren reichen Gesellschaften sieht aber so aus, dass der Grad des Glücklichseins hier mit am niedrigsten ist. Wir haben alles, aber wir sind irgendwie nicht glücklich (Richard Layard). Auf diesem Hintergrund hat sich nun die Glücksforschung entwickelt, die untersucht, was wirklich glücklich macht, und wie man Glück lernen kann. Auf der obengenannten Heidelberger Glückstagung hat der Mediziner und Kabarettist Eckard von Hirschhausen („Glück kommt selten allein“) darum einen Glücksschwur angeregt. Denn Glück wächst, indem man Dinge tut, die einen glücklich machen. Und glücklich macht nicht so sehr, dass wir immer mehr Konsumgüter haben, sondern in erster Linie gelingende, liebevolle Beziehungen, positive Einstellungen und Gefühle, Engagement und befriedigende Arbeit, eine religiöse, spirituelle Einstellung, und als letztes natürlich auch die Mittel, die materiellen (Grund-)Bedürfnisse zu befriedigen. Als Wege zum Glück wurden genannt: Dankbarkeit, Optimistischsein, das Vermeiden von Grübeleien und sozialen Vergleichen, Hilfsbereitschaft und das Pflegen sozialer Beziehungen. Dabei kommt es auf die klassischen menschlichen Tugenden an wie Güte (die Freude, zuerst an andere zu denken), Geduld, Bescheidenheit, Höflichkeit, Großzügigkeit, Ehrlichkeit. Benötigt werden auch Bewältigungsstrategien für Stress. Vergebung befreit einen aus dem Würgegriff des Ärgers. Es ist gut, sich sogenannte Flow-Erfahrungen (Csikszentmihalyi) zu schaffen, vor allem in der Arbeit, die dadurch zu einer win-win-Situation wird. Man sollte sich Ziele setzen, und sich um Leib und Seele kümmern.

Dies alles und noch mehr hat der Referent in ansprechender, humorvoller und überzeugender Weise vorgetragen. Es ließe sich vielleicht anmerken, dass mit all den Rezepten von do’s und don’ts vielleicht bei manchen wieder eine Art Glücksimperativ entstehen könnte, ein Glücksstress, wenn die Rezepte dann doch nicht so klappen, wie man es sich wünschte. Vielleicht ist es auch wichtig, sich die Dinge, die unglücklich machen, sehr genau anzusehen, um sie zu verstehen und auf Dauer effektiv zu überwinden, zu transformieren. Die tiefen existentiellen Probleme von Geburt und Tod, die Ursachen des Leids werden sich nur durch einen tiefgehenden spirituellen Verwandlungsprozess (persönlich wie gesellschaftlich) transformieren lassen.

Der zweite Vortrag am folgenden Donnerstagvormittag setzte in diesem Sinne
einige kritische und systematische Akzente hinzu.


Zwischen Sehnsucht und Verheißung. Wege und Abwege

Kirchenrat Bernhard Wolf

(Beauftragter der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern für neue religiöse und geistige Strömungen)
(CD VC 238)

Bernhard Wolf gibt einen weiten Überblick über das Spektrum der Behandlung der Glücksthematik in der Vergangenheit, vor allem aber in der Gegenwart. Seit der antiken Philosophie gehörten Anleitungen zum Glücklichsein zum Grundprogramm der Philosophie. In der Neuzeit spielte die Thematik in Philosophie und Theologie zunächst keine Rolle mehr, das Leben wurde als zu ernst angesehen, um mit gutem Gewissen glücklich sein zu können. Als Dorothee Sölle einst verkündete, dass Jesus der glücklichste Mensch gewesen sei, gab es einen Aufschrei bei Theologen.

Die Glücksbegrifflichkeit ist heute fulminant zurückgekehrt, etwa auf hohem Niveau in der Glücks- und Lebenskunstphilosophie Wilhelm Schmids,  insbesondere aber in der esoterisch-spirituellen Lebenshilfe, die häufig, wie das ältere „positive Denken“, einer Machbarkeitsspiritualität das Wort redet (z.B. N.D. Walsch: „Glücklicher als Gott“, Märbel Mohr: „Bestellungen beim Universum“). Da müsse man die Spreu vom Weizen trennen und mit A. Maslow drei Ebenen zu unterscheiden, die für die Glücksthematik wichtig sind. Auf der unteren Ebene stehen die menschlichen Grundbedürfnisse nach Nahrung, Sicherheit, Kontakt mit anderen, Anerkennung, Wärme, Schlaf, etc., die bis zu einem gewissen Maß gewährleistet sein müssen. Danach kommen zwei Ebenen, die zur höheren Selbstverwirklichung beitragen, die psychologische Ebene, die Maslow „Empowerment“ nennt, eine Art Selbstkraft, die uns eine positive Einstellung gegenüber den Herausforderungen des Lebens gibt, die uns hilft, uns in einem höheren Sinne um uns selbst und andere zu kümmern, dann aber – was in den Glücksratgebern gerne wegfällt – die Selbsttranszendenz, welche sich in religiösen Gipfelerfahrungen zeigt und – ich füge hinzu – in tieferen transformativen spirituellen Prozessen sich auch zu einer größeren Konstanz in einem entwickeln kann. Dabei umfasst Glück, so der Referent, eben auch nicht nur die angenehmen, sondern auch die unangenehmen Seiten des Daseins. Mit Sophie von Stabb („Morgen bin ich wieder da“) betont Pfarrer Wolf, dass es nicht darum geht, die äußeren Verhältnisse dem eigenen Willen zu unterwerfen, sondern auch das Schwere zu tragen ohne zu verzweifeln, Pflichten zu erfüllen aus einem tieferen Ja zum Sein heraus. Und er schließt mit dem bekannten Zitat aus Michel de Montaignes Essays: Nicht Schlachten und Provinzen zu gewinnen ist unser Glück, sondern Ordnung ins Leben zu bekommen.

Eine eindrückliche Illustration dieser kritischen Anmerkungen sind die Ausführungen unserer drei Via-Mundi Senioren, die am Donnerstagabend uns an ihren Lebenserinnerungen teilhaben ließen.


Glück im Alter

Maria Schumm, Doris Schmeußer, Willibald Gmeiner (Via-Mundi-Senioren)

(CD VC 239)

Bewegende Worte und Geschichten, die zu Herzen gingen. Göttliche Führungen in schweren Zeiten, Bewahrungen und Heimsuchungen, zu bewältigendes Leid und tiefes Glück, das aus dem Glauben kommt, aus dem Annehmen des Schönen wie des Leidvollen, durch das Gott uns nährt, mit dem er an uns arbeitet. Ringen mit Gott und seinem Bodenpersonal. Willibald Gmeiner fasst seine Lebenssumme in einem Spruch von Nikolaus von Kues zusammen. Dieser lässt Gott sprechen: „Werde du nur ganz du selbst, dann werde ich ganz dein sein.“

Standing Ovations.


Glücklich sein – trotzdem

Albert Steber

(Sozial- und Religionspädagoge, pastoraler Begleiter des sonderpädagogischen Zentrums für behinderte Kinder in Offenstetten)
(CD VC 240)

Vielleicht mein Lieblingsvortrag auf der Tagung war der von Albert Steber. Er arbeitet als Theologe und Pädagoge in einer großen katholischen Einrichtung für Menschen mit Behinderung. Jedoch muss man bei diesem Begriff sofort stocken. Der Vortrag zeigte wunderbar auf, welchen Unterschied eine „resonanzorientierte“ Betrachtung im Gegensatz zu einer defizitorientierten macht. In 10 Lebensbildern zeigten uns 10 sogenannte Menschen mit Behinderung 10 verschiedene Quellen des Glücks auf, für die wir „normalen“ Menschen meist nur eine eingeschränkte Resonanz besitzen, die aber eben ganz wesentlich mit dem Erleben von Glück zu tun haben. Gerade geistig behinderte Menschen leben oft sehr stark in der Herzenergie und haben ein tiefes Einfühlungsvermögen. Messungen haben gezeigt, dass das Energiefeld des Herzens 60x größer ist als das des Gehirns, das Magnetfeld gar 5000x stärker. Diese Herzenergie lässt sie viele glückliche Erlebnisse machen. Sie zeigen oft Freude und Dankbarkeit in den kleinen alltäglichen Begebenheiten. Mag es nicht eine der Gnaden Gottes sein, diese Menschen mit solchen besonderen Fähigkeiten uns hirnorientierten Menschen zuzugesellen, damit unsere Defizite ausgeglichen werden?


Bericht zur aktuellen Finanzkrise

Außerplanmäßig hat Wolfgang Berger, den wir von der letzten Tagung her kennen, am Freitag Nachmittag einen kurzen Bericht zur aktuellen Finanzkrise gegeben. Auch dieser Bericht samt Diskussion wurde aufgezeichnet und ist als CD (VC 243) erhältlich. In der Rubrik „Forum“ (der VM-Mitteilungen 36) findet sich ein weiterer Beitrag von Wolfgang Berger, neben einem weiteren Schwerpunktsbeitrag zum Thema der Finanzwelt von Günter Emde.

Wege zu einem glücklichen Leben

Dr. Sylvester Walch
(Psychotherapeut, Lehrtherapeut u.a. für transpersonale Psychotherapie, Autor)
(CD VC 241)

Dies war sicherlich der anspruchsvollste Vortrag der Tagung, was vielleicht auch an der abendlichen Stunde lag. Deshalb sei dieser Vortrag ganz besonders zum Nachhören empfohlen! Sylvester Walch, einer der führenden transpersonalen Psychologen und Psychotherapeuten, gab uns hier einen umfassenden Abriss der transpersonalen Psychologie und –therapie, gespickt mit eigenen Erfahrungen und dem Wissen des Fachs. Die transpersonale Psychotherapie zielt auf die Integration der spirituellen Erfahrungsbereiche innerhalb einer ganzheitlichen, nicht-reduktiven Sicht des Menschen. Dabei ist es wichtig, auch problematische Erfahrungsaspekte zu integrieren, Verdrängtes wieder zuzulassen, den dunklen Bruder, die dunkle Schwester in uns zu entdecken. Als hervorragendes Mittel zur zeitweisen Ergänzung eines spirituellen Weges hat der Referent dazu das von S. Grof entwickelte therapeutische Verfahren des holotropen Atmens für sich entdeckt. Diese auf Hyperventilation aufbauende Methode schafft auf relativ rasche und effektive Weise Zugang zu veränderten Bewusstseinszuständen und über diese zu verschütteten Erfahrungsschichten, die unter unterstützender Begleitung erlebt und durchgearbeitet werden können. Insofern ist dieses Verfahren ein Verbindungsglied zwischen Psychotherapie und Spiritualität, indem es zugleich tiefenpsychologisch therapeutisch heilend wirkt und für die Bereiche der transpersonalen oder Gotteserfahrung öffnet. Der Vortrag zeigt sowohl die Fallgruben als auch die zentralen Aspekte des inneren Weges auf. Er endet mit einer schönen Formulierung Gurumayis, der spirituellen Meisterin des Referenten: Bei all den möglichen Turbulenzen, den Aufs und Abs des inneren Weges gehe es darum, „die Schönheit der kleinen Schritte“ wahrzunehmen.


Glückseligkeit – wie das Leben gelingt

Dr. Christoph Quarch

(Philosoph, Theologe, Autor)
(CD VC 242)

Für viele war dieser letzte Vortrag der Höhepunkt der Tagung. Rhetorisch ansprechend, witzig und intelligent führte uns der Referent durch die Philosophie und Theologiegeschichte des Glücks. Die Griechen unterschieden zwischen einer menschlichen Variante des Glücks, der eudaimonia und einer den Göttern vorbehaltenen, der makariotes, die aber auch als Ausnahmezustand von Menschen in der Schau (theoria) der Ideen erfahren werden kann. Wenn wir Menschen wirklich glücklich werden wollen, dann müssen wir uns um diese zweite Form bemühen. Dasselbe Wort taucht auch in den Seligpreisungen der Bergpredigt auf: „Makarioi“ sind die geistig Armen… usw. Entsprechend sah die christliche Theologie und Mystik das Ziel des Lebens darin, das Menschsein hinter sich zu lassen. Wenn man auf Erden durchaus einen Vorgeschmack der künftigen Herrlichkeit erleben könne, so gibt es die vollkommene Seligkeit erst im Jenseits. Diese Vorstellung verliert am Ausgang des Mittelalters ihre Plausibilität, und mit der Renaissance setzt eine gegenteilige Bewegung ein. Die Glückseligkeit im Jenseits tritt immer mehr zurück zugunsten der Freude und des Genusses im Diesseits. Das Fehlen der tieferen Dimension des Daseins lässt den Menschen aber doppelt unzufrieden zurück, denn das diesseitige Glück ist der Zerbrechlichkeit des Lebens unterworfen, wenn es fehlt, was dann, und wenn man es hat, ist es doch nur flüchtig. Der Referent plädiert sodann für ein tragendes Glücksverständnis, das er mit einem poetischen Text (Über das Glück, 1949) von H. Hesse illustriert, in dem dieser die Empfindung der Ewigkeit im Flüchtigen des Hier und Jetzt beschreibt. In der Erfahrung des Zusammenklangs, der Harmonie der Dinge mit dem eigenen Sein, komme ihm ein Glück zu, das nach keiner Steigerung mehr verlange. Wie lässt sich diese Erfahrung erlangen und dann auch bewahren? Auf einer philosophischmentalen Ebene bietet sich da die neostoische philosophische Lebenskunst W. Schmids an, der uns den kategorischen Imperativ der Lebenskunst anrät: Gestalte dein Leben so, dass es bejahenswert ist. Aber reicht das? Und funktioniert es? Tiefer reicht da die Mystik, die uns den spirituellen Imperativ der Gelassenheit anempfiehlt: Lass deinen Willen los, entäußere dich deines Willens, werde eins mit Gott.

Diesem Loslassen der Kreatürlichkeit setzt Christoph Quarch dann ein eigenes, an Plato orientiertes Programm entgegen, das er „erotische Lebenskunst“ nennt. Der Unterschied zur Mystik bestehe in dem Ja zum Menschsein, zur Differenz, dem Getrenntsein, zur Unvollkommenheit, ja, auch zur Gebrechlichkeit. Der erotische Imperativ: Verliebe dich ins Leben.

Mir selbst scheint, dass hier ein wichtiger Punkt getroffen ist, dass der mystische Imperativ des Überschreitens die Tendenz hat, sich von der Welt abzuwenden. Es lässt sich aber auch eine Mystik denken, die weltzugewandt ist, die an der Gestaltung der Welt, an der evolutionären Entfaltung eines göttlichen Lebens aktiv mitarbeitet. Eine solche Mystik mag in den spirituellen Traditionen bisher noch wenig entwickelt sein. Gestalten der neueren Mystik wie Teilhard de Chardin und vor allem Sri Aurobindo weisen in diese Richtung. Eine bloße erotische Lebenskunst mag einen wichtigen Teilaspekt darstellen, die Bewegung, die aus der Dualität zur Vereinigung strebt. Es gibt aber auch noch eine andere Liebe, die aus dem Frieden der Einheit herausfließt, die Agape.

Darauf habe ich in meiner Ansprache beim Abschlussgottesdienst hingewiesen. Diese sei hier am Ende noch angefügt. (Ein Hinweis: der gesamte Gottesdienst mit der wundervollen Musik, den Lesungen und Fürbitten usw. ist diesmal auch als CD erhältlich.)


Ansprache beim Abschlussgottesdienst

zu Ps 17, Joh 15, 26-27 + 16,1-4 und Eph 3,14-21

Wolfgang Habbel
(CD 245)

Am Ende unserer Tagung schauen wir zurück und wir sehen dabei einen ungeheuren Reichtum an Erleben. Wenn wir hier zusammenkommen, in diese Weggemeinschaft von Via Mundi, dann intensiviert sich unser Leben. Mir kam in diesen Tagen das Bild des Spiegels: Jeder von uns ist ein Spiegel, der andere Spiegel spiegelt. Jeder Vortrag ist ein Spiegel, der sich in uns spiegelt und der etwas in uns widerspiegelt.

Unser Thema war das Glück: Was macht wirklich glücklich? Was mir wichtig war in diesen Tagen, über all die guten und wichtigen Worte hinaus, die zu hören waren, war die innere Orientierung – dass der Sinn, das innere Auge, und vor allem das Rückblick auf die VIA MUNDI-Tagung 2009 13 Herz auf das ausgerichtet wurde, was Glück ist, was wirklich glücklich macht. Und da war eine sehr deutliche Empfindung im Herzen von dem, was glücklich macht. Natürlich ist auch all das Äußere schön und macht froh und hilft: die Berührungen, die Gespräche, die Gemeinschaft, das Tanzen, das freundliche Lächeln in den Gesichtern, die liebevollen Augen. All das hilft, dass das Herz gefüllt wird, dass es in Liebe leuchtet. – Aber was ist die Quelle? Paulus spricht vom inwendigen Menschen, der stärker wird – und er ist in uns allen in diesen Tagen stärker geworden. Wie schön ist das! Die Frage ist dann aber: Lässt sich etwas davon halten? Der Psalm 27 spricht von den Feinden und Widersachern; da klingt der Kampf an, die dualistische Wirklichkeit. Übung ist da nötig, Wachsamkeit! Glück muss auch errungen werden. Wir sollen unser Leben, unsere Seele in Ordnung bringen, das innere Leben ordnen, die Kräfte kennenlernen und eben schauen, was denn die Länge und Breite, die Höhe und die Tiefe ist.

Ramana Maharshi sagt, dass das Eigentliche, das Wahre, nicht etwas ist, das kommt und geht. Eine solche Aussage ist eine Orientierung, deren Wirklichkeit einem aber erst aufgeht, wenn man das (oder den oder die), was (der oder die) immer da ist, gefunden hat, wenn es (er, sie) zur Erfahrung geworden ist, jener Geist der Wahrheit. Wahrheit heißt auf Hebräisch ‚ämät, das, was verlässlich ist, was gewiss, was treu ist, ein über alle Zweifel erhabenes Wahrheits- und Ewigkeitsbewusstsein. „So ist es“, Amen, dieses Wort kommt von derselben Wurzel.

Was macht wirklich glücklich? Ich denke schon, dass es letztlich die Mystik ist, aber nicht eine nur gedachte oder vorgestellte Mystik, sondern die echte Erfahrung. Der Zen-Meister Rinzai hat für diesen Zustand bzw. Prozess die Metaphern benutzt: fischmunter und quicklebendig. Und wenn man auch nur ein bisschen davon geschmeckt hat, dann weiß man, dass die mystische Erfahrung – ganz gleich wie die dahinterstehende Theorie aussehen mag – nicht ein Ausbrechen aus der Welt ist, sondern eine tiefe Lebendigkeit. Da ist die Bewegung zueinander – eine Art Erotik. Das ist die Liebe, die aus der Dualität, oder Polarität, zur Vereinigung strebt. Das andere aber ist die Agape. Das ist die Liebe, die aus dem Frieden der Einheit herausfließt und nichts mehr will. Die Liebe Gottes, die alles umfasst, oben und unten, gut und böse, Freund und Feind. Diese Liebe ist höher als alle Kraft des Gefühls. Das ist die Quelle, aus der alles kommt, die alles erfüllt, die wirklich glücklich macht.

Amen.


Christian Hackbarth-Johnson