Rückblick VIA MUNDI Tagung 2011

"Die Kraft der Liebe zur Heilung der Welt" (Bad Alexandersbad)

Referate und Referenten

Rückblick auf die Via-Mundi-Tagung 2011 in Bad Alexandersbad

Von Christian Hackbarth-Johnson

Die Tagung 2011 begann mit zwei mehr politisch ausgerichteten Vorträgen, wobei es sich in beiden um die „Politik des Herzens“ handelte, so ein Buchtitel des ersten Referenten, dem Journalisten und Buchautor Geseko von Lüpke. Seinen Vortrag nannte er „Das Herz der Revolution ist die Revolution des Herzens“. Darin erzählt er Mut machende Geschichten von Menschen – viele davon Trägerinnen oder Träger des alternativen Nobelpreises – die durch die Kraft der Liebe positive Veränderungen in der Welt bewirkt haben. Ein Beispiel: Die Stadt Cartagena in Kolumbien war einmal die gewalttätigste Stadt der Welt. Da begannen 5 Poeten Dichterlesungen mit Liebesgedichten zu organisieren. Mit 50 Plakaten schafften sie es am 1. Abend 5.000 Menschen anzuziehen, am 2. Abend 10.000 – über mehrere Wochen kamen insgesamt 125.000 Menschen. Auf die Frage, ob er keine Angst gehabt hätte, sagte der Initiator: „Die Verbrecher mögen doch auch Liebesgedichte.“ Den Abschluss des reichen Straußes an Geschichten bildet das Phänomen der Imagozellen: Wenn eine Raupe sich einpuppt, entstehen in ihr neue Zellen, die sogenannten Imagozellen. Zunächst werden sie vom Immunsystem der Raupe bekämpft. Es entstehen aber immer neue Imagozellen, die die alten Zellen infizieren, dass diese auch Imagozellen hervorbringen. Die Imagozellen verbinden sich zu Clustern und es entstehen Informationsbahnen zwischen ihnen. Irgendwann begreifen sie, dass sie etwas anderes sind als die Raupe, und plötzlich wissen sie, was ihre Aufgabe ist. Vielleicht, so Geseko von Lüpke, sind wir alle solche Imagozellen in der Phase der Clusterung und Vernetzung zur Veränderung dieser Welt.

Am Donnerstag Vormittag vertiefte der Schweizer Agrarökonom und integrale Politiker Gil Ducommun den Horizont einer Politik der Liebe mit einem Vortrag, der stärker analytisch und historisch vorging und eine integrale Politik als Konsequenz der Entwicklung eines integralen Bewusstseins vorstellte unter dem Titel: „Integrale Politik – Auf dem Weg zu einer Politik der Vernunft und der Liebe“. DieGrundhaltung der Liebe übersetzt sich in die praktische, und daher auch politische Ebene in einem Füreinander-da-sein. In unserem heutigen Wirtschaftsleben herrscht dagegen das Gegeneinander, die Konkurrenz, ein permanenter Zustand eines inneren Krieges. Dadurch ergibt sich letztlich ein unvernünftiges Wirtschaften, das die natürlichen Lebensgrundlagen mehr und mehr zerstört. Wie lässt sich dies ändern? Letztlich nur durch eine Bewusstseinsentwicklung, die weg von der Egozentrik zu einer weitergefassten Identität (L. Kohlberg), und von einer im Mythischen befangenen mentalen Bewusstseinsstruktur in eine integrale Bewusstseinsstruktur führt, deren Strukturmerkmal nicht mehr das Entweder-Oder, sondern das Sowohl-als-auch ist (vgl. J. Gebser, K. Wilber, Sri
Aurobindo). Es geht darum, alle 4 Seins- und Bedürfnisbereiche zu entwickeln, nicht nur Körper (Nahrung, Schlaf, Bewegung, Erotik) und Vernunft (Wissen erwerben), sondern auch das Gefühl (Schattenarbeit, innere Muster auflösen) und den spirituellen Geist (spirituelle Schulung, Mitgefühl, Liebe, Einswerden in der Meditation) und darum, eine alle diese Dimensionen integrierende Lebenspraxis zu erarbeiten und einzuüben. Dabei kann eine integrale Politik des Herzens entstehen, die alle Gesellschaftsbereiche neu zu erfinden vermag, und die in den Menschen eine kollektive Intelligenz mobilisiert, welche die nötigen Änderungen in den Verfassungen der Nationen vornehmen kann. Denn die nötigen Änderungen können und müssen vom Souverän der Politik vollzogen werden, von uns, von Menschen, die für die Ordnungsprinzipien der Gesellschaft Verantwortung übernehmen. Siehe zum gesamten Konzept auch: www.integrale-politik.ch

Am Donnerstag Abend erfreute uns der Ökonom Wolfgang Berger mit einem überraschenden Vortrag – wir kannten ihn bisher vor allem als kritischen und zugleich humorvollen Ökonomen – über „die Liebe als Endzweck der Weltgeschichte“. Mit Humor (es geht ihm darum eine „artgerechte Lebenshaltung“ für uns Menschen einzuführen) und dann einem musikalischen Engeleinladeritual begann der Vortrag, worauf im ersten Hauptteil der Begriff der Liebe systematisch aufgeschlüsselt wurde. Plato unterscheidet zwischen Eros, Philia und Agape. Eros ist die begehrende Liebe, als solche durchaus die Vorstufe zur Vereinigung mit Gott, jedoch im Alter von 20 vornehmlich auf das andere Geschlecht gerichtet. Im Christentum wurde der Eros leider etwas denunziert, insofern er nicht die bedingungslose Liebe ist, sondern eine, die mit Bedürfnissen handelt. Die Philia ist die Liebe unter Freunden, die etwa Jesus zu seinen Jüngern hatte, die Liebe zu Kindern, zu Eltern, zu Gott, zur Weisheit (Philosophie), die aber auch, im Wirtschaftsleben, eine Liebe zu einer Tätigkeit, zur Firma, zu einem Produkt sein kann. Agape ist sodann die selbstlose Liebe. Agape umgesetzt in wirtschaftliches Handeln wäre das Gemeineigentum, die Allmende. Leider hat die moderne Wirtschaftsideologie dafür gesorgt, dass immer mehr Gemeineigentum privatisiert wurde. Es ist wichtig zu erkennen, dass Leben viel besser gelingt durch Kooperation und Gemeinschaft als durch den egoistischen Kampf aller gegen alle. Wenn, wie Vertreter der Quantenphysik mit spirituellen Philosophen übereinstimmen, es keine Materie gibt, sondern alles sozusagen „Schwingung“ ist, und Schwingungen Beziehungen konstituieren, dann ist ein Leben, das zu dieser Erkenntnis erwacht ist, ein Leben der selbstlosen Liebe, wie es der Koran sagt: Was wir geben, bleibt für immer erhalten. Was wir behalten, ist für immer verloren. Wie sähe Liebe im Geschäft aus: 1. Uneingeschränkter Respekt aller gegen alle. 2. Ein Unternehmen wird definiert als Rahmen, worin Menschen sich an die Grenzen ihres Potentials entwickeln können. 3. Freude an der Arbeit.

Am Freitag Morgen ließ uns die Heilerin und soziale Aktivistin Ursula Beier teilhaben an ihrem inneren und äußeren Weg, der sie nach Sri Lanka geführt hat, wo sie ein weitreichendes soziales Werk aufgebaut hat. Es begann, als sie eines Nachts die Lichterscheinung eines dunkelhäutigen Wesens hatte. Bald darauf flog sie mit ihrem Mann nach Sri Lanka um Urlaub zu machen. Sie begegnen einem bekannten srilankesischen Schauspieler, der zugleich der Schwiegersohn der Vizestaatspräsidentin war. Beide erkennen eine tiefe spirituelle Verbundenheit. Im folgenden Jahr fliegen sie erneut nach Sri Lanka, wo dieser sie, nachdem die Schwiegermutter abgesetzt worden war, in ein Kinderheim führt, das Geldsorgen hatte. Wieder zuhause gründet Frau Beier den Verein Ceylon Direkthilfe e.V.. In der Folge erfährt sie nächtliche spirituelle Unterweisungen aus der geistigen Welt. Tagsüber beginnt eine spirituelle Beratungstätigkeit, bei der sie selber aus den Antworten lernt, die ihr eingegeben werden. Auf eine Intuition hin reist sie für 4 Wochen nach Alaska, wo sie in der Einsamkeit weiter in die innere Welt geführt wird. Wieder zurück beginnt ihre Heiltätigkeit mit der Hilfe von Tieren. Danach geht es wieder nach Sri Lanka. Ihr Schauspielerfreund, Vijay, ist inhaftiert. Im Gebet erscheint ihr Jesus und spricht mit ihr. Auch hat sie wieder nächtliche Unterweisungen. Vijay habe ihr erzählt, dass, als er verzweifelt im Gefängnis war, sie ihm im Licht erschienen sei usw. usf. Diese Dinge ereigneten sich in den Jahren 1979-1982. Der Vortrag erzählt ihre durchweg äußerst erstaunliche Geschichte weiter bis heute. Dafür sei auf die CD bzw. DVD hingewiesen, in denen auch, wie bei allen Vorträgen, die interessante Aussprache enthalten ist. Die Nitschnitte können über den G.Emde Verlag erworben werden (siehe unter Mitteilungen des Verlags).

Am Freitag Abend folgte der Vortrag der Ehrwürdigen Bhikshuni Tenzin Wangmo, einer deutschen tibetisch-buddhistischen Nonne aus München, mit dem Thema: „Wie werde ich ein liebender Mensch?“ Ist es sinnvoll, ein liebender Mensch zu werden? fragt sie am Anfang, da doch liebevolle Menschen oft weniger Erfolg im Leben haben. Denkt man aber weiter, so zeigt sich, dass es durchaus von Nutzen ist, ein liebender Mensch zu werden, denn nur der ist wirklich glücklich, dessen Herz von Liebe und Mitgefühl erfüllt ist. Nun bleibt die Frage des wie? Da noch kein Meister vom Himmel gefallen ist: durch unablässige Übung und Anstrengung. Alle Religionen haben dazu Hilfen, ethische Vorschriften, Übungen und Rituale. Diese gilt es in den Alltag umzusetzen. Insbesondere im Buddhismus ist Geistestraining zentral. Die Basis dabei ist Achtsamkeit, indem man sich den ganzen Tag alle Aktivitäten, Gedanken und Worte vollständig bewusst macht und sie bewusst ausführt. Das Herz des Vortrags ist dann ein Durchgang durch die immer wiederkehrenden, normalen Aktivitäten des Tages, die man zu einer einfachen, keine zusätzliche Zeit beanspruchenden, kostenlosen Praxis machen kann. Z.B. wenn man am Morgen aufwacht, kann man danken, dass ein weiterer Tag einem die Möglichkeit gibt, sich zu verbessern. Der Tag liegt vor einem wie ein Stück unbeschriebenes Papier, das man mit heilsamen oder unheilsamen Taten beschreiben kann. Es folgen viele solcher einfachen und nützlichen Hinweise bis dahin, dass man auch den Schlaf zur Praxis machen kann, indem man sich vornimmt, auch in die Traumebene die liebevolle Haltung mitzunehmen und dort anderen Wesen zu helfen. Alle Handlungen, die man tut, können mit liebevollen Gedanken begleitet werden, um geistig wach zu werden. An der Geisteszähmung führt kein Weg vorbei, ohne Tatkraft, Energie und Fleiß gibt es keine Fortschritte. Der Vortrag endet mit einer Erklärung des Edlen Achtfachen Pfades (rechte Einsicht, rechte Gesinnung, rechte Rede, rechtes Verhalten, rechter Lebenserwerb, rechte Anstrengung, rechte Achtsamkeit, rechte Meditation), den man praktizieren kann, auch wenn man nicht Buddhist ist, insofern er auf der Erkenntnis der Lebensgesetze beruht – die rechte Methode ist wichtig: eine Kuh melkt man auch nicht an den Hörnern, sondern am Euter. Der Nutzen und Segen zeigt sich in diesem Leben wie im Jenseits. Man wird ein hilfsbereiter Mensch, der auch friedvoll sterben kann, weil er sich des weiteren Aufstiegs gewiss ist. Insgesamt ein Vortrag, der den buddhistischen Weg und seine universalen Aspekte äußerst luzide und praktisch vermittelt. Wer mehr v.a. auch über den Erfahrungshintergrund der Referentin wissen möchte, sei auf ihr Buch verwiesen: Bhikshuni Tenzin Wangmo, Von der Bodybuilderin zur buddhistischen Nonne, Ratna Verlag, München 2005.

Den letzten Vortrag der Tagung, am Samstag Morgen, schenkte uns der Philosoph und Theologe Christoph Quarch, den viele schon von der Tagung über Glück kannten. Als Vorbereitung für den Vortrag – wir hatten ihn schon 2 Jahre davor eingeladen – hatte er, nachdem ihm seine Frau gesagt hat, dass er sich dafür gut vorbereiten müsse, ein ganzes Buch geschrieben: „Hin und weg. Verliebe dich ins Leben“. Insofern ist der systematisch aufgebaute Vortrag mit dem Titel „All you need is love“ immer wieder durch Lesungen aus dem Buch aufgelockert, welches in Briefform verfasst ist und konkrete Liebeserfahrungen zur Sprache bringt und reflektiert. Vielleicht sollte hier gar nicht soviel verraten werden, damit Ihr, liebe Leser, euch doch vielleicht beides selber zulegt, den Vortrag auf CD oder DVD und das Buch. Nur soviel: Christoph Quarch spricht einer Re-Erotisierung der Kultur und des Christentums das Wort. Sein philosophisches Gewährspaar dafür sind Plato und Diotima, der Schüler und die Lehrerin des Sokrates, deren Lehre vom Eros als transformatorischer und heilender Kraft Plato in seinem Symposion, wörtlich „Trinkgelage“, wiedergibt.

Auch das Tagungsresümee am Sonntag mit dem Vorstand und den noch anwesenden Referentinnen und Referenten, sowie der von einer Gruppe vorbereitete und von Melanie Holzer mit Chor musikalisch begleitete ökumenische Abschlussgottesdienst sind auf CD und DVD erhältlich. Abschließend sei darauf hingewiesen, dass alle Vorträge es wert sind, noch einmal gehört und weitergegeben zu werden!

Gruppen

Prof. em. Gil Ducommun

Professor für Entwicklungspolitik, Mitbegründer der Initiative „Integrale Politik“

„Integrale Politik“
Auf dem Weg zu einer Politik der Vernunft und Liebe

Prof. Wolfgang Berger

Ökonom und Philosoph,
Leiter des Business-Reframing-Instituts zur inneren Neuausrichtung von Unternehmen

„Erfolgsmodell Liebe“

Dr. Christian Hackbarth

Theologe, Religionswissenschaftler, interreligiöser Dialog, Via-Mundi-Vorstandsmitglied

„Gespräch und Stille“

Gertrud Emde

Malerin und Buchautorin, in der Seelsorge tätig, seit 30 Jahren Referententätigkeit in Vorträgen und Seminaren

„Liebe – Was ist hilfreich für alle Lebendigkeit auf unseren Planeten“

Joachim Schmeußer

freischaffender Architekt
Essentia Teacher, multidimensionales und transpersonales Coaching

„Liebe und Beziehung im neuen Paradigma“

Dr. Christoph Schumm

Arzt für Allgemeinmedizin, Via Mundi Vorstndsmitglied

„Wandern“