Rückblick VIA MUNDI Tagung 2012

"Freiheit und Grenzen"(Hohenwart Forum bei Pforzheim)

Freiheit und Grenzen

Was für ein Thema in einer Zeit, in der der Glaube an ein grenzenloses Wachstum das zu zertrümmern droht, was uns auf diesem Planeten heilig ist.

Freiheit – wovon und wofür?

Wie schnell zieht schon das Leben selbst unserer Freiheit Grenzen: Ohne Luft, ohne Wasser, ohne Nahrung ist kein Leben möglich. Wir sind als Teil eines größeren Ganzen in vielfältiger Weise damit verbunden. Grenzenlose Freiheit erweist sich als eine mit dem Leben unvereinbare Illusion.

Auch das Miteinander – in Familie, Ausbildung, Beruf, Partnerschaft und Gesellschaft – ist ein Wechselspiel von Freiheit und Grenzen. Wie relativiert sich unsere Freiheit, wenn wir an die Grenzen Anderer stoßen? Was erwarten wir von den Anderen? Ob menschenverachtende Diktatur oder demokratische Solidargemeinschaft – wie gehen wir mit den Grenzen um, die uns im Zusammenleben abverlangt werden?

Der Fortschritt, von der Ausbeutung der Ressourcen aller Art über die Gentechnik bis zur Präimplantationstechnologie, wirft die gleichen Fragen auf. Dürfen wir alles tun, was wir tun können? Woran orientieren wir uns, was ist der Maßstab unseres Handelns?

Wie frei sind wir selbst? Wo liegen unsere eigenen Grenzen? Und welches Potential steckt in der Erfahrung dieser Grenzen!

Freiheit und Grenzen sind uns teilweise vorgegeben, teilweise entwickeln wir sie selbst. In jedem Fall sind beide Faktoren für die Gestaltung und Ausrichtung unseres Lebens von entscheidender Bedeutung. Doch was wird aus ihnen, wenn wir mit dem Mysterium des All-Einen in Berührung kommen?

Diesen Fragen wollen wir auf unserer Tagung nachgehen – in Vorträgen und Gruppen, in der Begegnung miteinander, in der Stille und beim Feiern.


Referate und Referenten


Prof. Dr. Peter Rieckmann

Chefarzt der Neurologischen Klinik Bamberg

„Geht die Willensfreiheit in der Neurobiologie unter?“

PD Dr. theol. Arne Manzeschke

Theologe und Philosoph, Dozent für Ethik und Anthropologie im Gesundheitswesen, Institut für Technik, Theologie und Naturwissenschaften an der Ludwig-Maximilians-Universität München

„Zur Freiheit befreit – Von der Herausforderung, Freiheit in den Grenzen echten Menschseins zu leben“

»Zur Freiheit hat euch Christus befreit«, schreibt Paulus an die Gemeinden in Galatien und fordert sie auf, sich nicht wieder das Joch der Knechtschaft auflegen zu lassen (Gal 5,1). Es gehört zum Selbstverständnis unseres Abendlandes, dass uns die Freiheit des Einzelnen als eines der höchsten Güter gilt. Die Geschichte dieser Befreiung zur Freiheit – des Einzelnen wie auch der kulturellen Gruppen und Staaten – ist immer auch mit der Reflexion auf die Grenzen dieser Freiheit verbunden. Alle Emanzipationsbemühungen haben nicht nur die Freiheit einschränkenden Mächte kritisiert, sondern stets auch danach gefragt, was der Grund dieser Freiheit ist und wie man sich an ihn binden kann, wie man also Freiheit in der Bindung praktiziert.

Heute scheint Freiheit zu einer Last und Gefahr zu werden: Sollen wir wirklich alles tun, was wir tun können? Worin findet die Freiheit des Einzelnen wie des Staates noch ihren Grund, wenn Natur, Vernunft oder Gott keine alle überzeugenden Gründe mehr sind, wenn Freiheit zu einem
Zwang eigener Art wird?

Der Vortrag lotet aus einer philosophisch, theologisch und ethischen Perspektive Begriff und Geschichte der Freiheit aus und bietet Impulse für ein Verständnis von Freiheit, das seinen Grund und seine Grenze in der Menschlichkeit des Menschen findet.

PD Dr. theol. Arne Manzeschke:
Ethik und Anthropologie im Gesundheitswesen, Institut Technik, Theologie, Naturwissenschaften an der Ludwig-Maximilians-Universität München 1985–1991 Studium der Theologie und Philosophie an den Universitäten München, Tübingen und Erlangen; 1995 Promotion zum Dr. theol; 1995–2001 Pfarrer der Ev.-Luth. Kirche in Bayern; 2001–2004 Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Systematische Theologie der Universität Erlangen-Nürnberg, 2004–2006 Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Medizinmanagement und Gesundheitswissenschaften, Universität Bayreuth, dort Leiter der Abteilung Ethik und Anthropologie; 2007 Habilitation und Venia Legendi für das Fach Systematische Theologie/Ethik an der Universität Erlangen-Nürnberg; 2007–2011 Leiter der Arbeitsstelle für Theologische Ethik und Anthropologie an der Universität Bayreuth.
Forschungsschwerpunkte im Bereich der Wirtschafts- und Technikethik, 2008 ausgezeichnet mit dem Ersten Ethikpreis der Deutschen Wirtschaftsgilde für Forschungen zur Ökonomisierung im deutschen Krankenhauswesen. Seit Mai 2011 am Institut TTN München.


Dr. Hans-Jürgen Fischbeck

Physiker, DDR-Bürgerrechtler

„Freiheit und Wahrheit sind Geschwister“

Prof. Dr. Anton Bucher

Professor für Religionspädagogik, Universität Salzburg

Veronika Vogel

systemkritische Schülerin, Beisitzerin der Grünen Jugend Bayern

„Was braucht die Seele, um in die Freiheit zu wachsen?“

Prof. Dr. Anton Bucher
Professor für Religionspädagogik an der Universität Salzburg, Leiter des Fachbereichs „Praktische Theologie“, stellvertretender Vorsitzender der AKRK (Arbeitsgemeinschaft Katholischer ReligionspädagogInnen und KatechtikdozentInnen im deutschsprachigen Raum), Mitglied der Internationalen Gesellschaft für Religionspsychologie und der Arbeitsgemeinschaft Empirisch-Pädagogische Forschung, Autor des Buches “Psychologie des Glücks“, PVU, 2009

Veronika Vogel
Geboren 1997. Systemkritische Schülerin. Mit 12 erste Rede auf internationaler Tagung mit   Stellungnahme zum Bildungssystem, mit 13 Eintritt in die Grüne Jugend, 1 Monat später Koordinatorin des Landesarbeitskreises Bildung für Bayern. Seit November 2011 Beisitzerin des Landesvorstandes der Grünen Jugend Bayern.
Aufgrund Mobbingproblemen wechselte sie 2009 von einem bayerischen Gymnasium in eine Freie Schule nach Österreich. Durch diese Erfahrungen, entwickelte sie das Bedürfnis anderen Menschen und besonders Kindern und Jugendlichen auf politischem Wege zu helfen. Mitlerweile ist sie in der Oberstufe einer Waldorfschule. Sie beschäftigt sich gerade unter anderem mit dem Wirtschaftssystem, unserem Wachstumswahnsinn, wie wir unsere Kinder der Wirtschaft aussetzen, Schule und Bildung und anderen Themen, die ihr so über den Weg laufen.


Dr. Ero Langlotz

Psychiater, Systemtherapeut

„Freiheit durch Abgrenzung?!“

Mit C.G.Jung verstehe ich das „Selbst“ als das Einmalige, Besondere, das jeder Mensch als Potential in sich trägt, und das Verbindung zu Transzendenz ermöglicht – der „göttliche Funke“.
Als Systemtherapeut habe ich die Erfahrung gemacht, dass es den meisten Menschen sehr schwer fällt, ihren „inneren Raum“ für ihr „Selbst“ und dessen Entfaltung frei zu halten. Eine unzureichende Abgrenzung gegenüber dem Fremden, dem „Nicht-Selbst“, führt dazu, dass sie ihren inneren Raum Fremdem zur Verfügung stellen: dem Fühlen und Denken der Eltern,  den Ansichten und Erwartungen der Lehrer, des Partners, der Kinder.
Sie passen sich Fremden an, bis hin zur Verschmelzung, und erleben sich vielleicht als besonders liebevoll, besonders „selbstlos“ verbunden. Aber sie leben mehr fremd- als selbst-bestimmt, versäumen eine erwachsene, eine partnerschaftliche Beziehung.
Die eigentliche verborgene Ursache für dies Symbiosemuster scheint in frühen Erfahrungen zu liegen, als eigene Abgrenzungsbewegungen von der Bezugsperson mit ängstlichem Rückzug oder Ablehnung beantwortet wurden. Das führt beim Kind zu existentiell bedrohlichen Verlassenheitsängsten. Um solche Erfahrungen in Zukunft zu verhindern, bewertet das emotionale Gedächtnis diese Abgrenzungsbewegungen als negativ, sodass sie ein Leben lang blockiert werden, noch bevor sie bewusst werden.
Das wirkt sich aus wie ein „unbewusstes Abgrenzungsverbot“, welches die Wahrnehmung, das Selbstbild und die Beziehungen bestimmt – ohne dass sich der Betroffene dessen bewusst wird!
Durch eine spezielle Form der Systemaufstellung, bei der auch Repräsentanten für die abgespaltenen Selbstanteile aufgestellt werden, ist es möglich, diese Verbote wieder bewusst zu machen. Durch das bewusste „Übertreten“ des Verbotes kann der  Klient erfahren, dass statt der befürchteten Verlassenheit eine nicht geahnte Befreiung erfolgt! So wird das Verbot nachhaltig gelöst.
Nun ist er in der Lage, auch in der Nähe zum Gegenüber bei sich zu bleiben, so kann Ich-Du- Begegnung entstehen. Grenze ist die Voraussetzung für Kontakt!


Apl. Prof. Dr. Dr. Katharina Ceming

Theologin, Germanistin, Philosophin, Seminarleiterin und Publizistin

„Die Quelle des guten Lebens“

Nichts prägt den Menschen mehr als die Erfahrung, dass seine Freiheit immer wieder an Grenzen gerät und aufgrund der conditio humana auch an solche geraten muss. Und doch schwingt in dieser Grenzerfahrung immer ein neuer Freiheitsaspekt mit: die Erfahrung eines inneren Freiraums, der nicht durch äußere Grenzen der Gesellschaft und der biologischen Verfasstheit als sterbliches Wesen bedingt ist. Die großen spirituellen Traditionen der Menschheit haben sich sehr intensiv mit dieser inneren Freiheitserfahrung auseinandergesetzt und Methoden und Wege entwickelt, diese zu erlangen. An diesen Erfahrungsschatz können wir heute noch anknüpfen, wenn wir uns auf die Suche nach der Quelle des guten Lebens machen. Dennoch bleibt es uns nicht erspart, diese Wege gegebenenfalls zu modifizieren und neu zu betrachten, da die damit verbundenen Methoden und Sichtweisen der Weltwirklichkeit immer die Grenzen und Begrenztheiten der jeweiligen Zeit in sich tragen. Spirituelle Freiheit heißt immer auch: selbstverantwortlich den je eigenen Weg zu gehen.

Dr. Dr. Katharina Ceming ist außerplanmäßige Professorin an der Universität Augsburg sowie freiberufliche  Seminarleiterin und Publizistin. Nach ihrem Studium der katholischen Theologie und Germanistik an der Universität Augsburg und einer Promotion im Fach Philosophie zu Meister Eckhart und Johann Gottlieb Fichte, habilitierte sie 2002 in Fundamentaltheologie mit einer Studie zur mystischen Theologie im Christentum, Hinduismus und Buddhismus. Im Anschluss an eine dreijährige Professorentätigkeit an der Universität Paderborn erwarb sie im Jahr 2009 mit einer Arbeit über das Verhältnis von Menschenrechten und Religionen noch einen theologischen Doktortitel. Katharina Ceming beschäftigt sich seit vielen Jahren neben den religiösen, philosophischen, kulturellen und sozialen Aspekten der Weltreligionen besonders mit Mystik und Spiritualität. Im April 2008 erhielt sie den Mystikpreis der Theophrastus Stiftung. Neben einer regen Vortrags- und Seminartätigkeit ist sie zudem Autorin zahlreicher Bücher, wie Mystik und Ethik bei Meister Eckhart und Johann Gottlieb Fichte, Die Verbotenen Evangelien, Buddhismus, Einheit im Nichts, Mystik im interkulturellen Vergleich, Gewalt und Weltreligionen, Sorge dich nicht um morgen, Ernstfall Menschenrechte, Spiritualität im 21. Jahrhundert u.a.
www.quelle-des-guten-lebens.de


Gruppen

Gertrud Emde

Malerin und Buchautorin, in der Seelsorge tätig, seit 30 J. Referententätigkeit in Vorträgen und Seminaren

Der Sinn des Lebens, die Unterscheidung der Geister und die Grenzen der Freiheit

Dr. Christian Hackbarth-Johnson

Theologe, Religionswissenschaftler, Yoga- und Zen-Lehrer, Via-Mundi-Vorstandsmitglied

Gespräch und Stille

Dr. Hans-Jürgen Fischbeck

Physiker, DDR-Bürgerrechtler

Freiheit und Wahrheit sind Geschwister

Dr. Ero Lanlotz

Psychiater, Systemtherapeut

Freiheit durch Abgrenzung?!

Marie-Gabriele Massa

Musik- und Tanzpädagogin, Clown und Klinikclown

Ich bin so frei! Ein Treffen mit dem inneren Clown.

Dr. Christoph Schumm

Arzt für Allgemeinmedizin, Via-Mundi-Vorstandsmitglied

Wandern.

Bettina von Uechtritz

Psychologin, Biographie- und Paarberatung

Freiheit und Grenzen in meiner Biographie – Was begrenzt
mich (Vorerfahrungen, Prägungen, karmische Muster) und
worin bin ich wirklich frei.

Gunter Gebhard

Pädagoge

Freiheit – Verständnis – Liebe, eine „Dreieinigkeit“. Gespräch
und praktisch-künstlerische Übungen.